Mamasein auf Helgoland

Mamasein auf Helgoland

Heute bleiben wir in meiner Reihe „Mamasein in …“ mal in Deutschland, aber ich nehme Euch trotzdem an einen ganz besonderen Ort mit. Es geht auf die wunderschöne Insel Helgoland. Als wir dort unseren kleinen Winterurlaub hatten, haben wir Levke und ihre liebe Familie kennengelernt. 

Mamasein auf Helgoland 


Hallo liebe Levke, Ihr seid eine junge Familie auf Helgoland. Viele kennen Helgoland als Urlaubsinsel und können sich nicht vorstellen, dass man mit Kindern dort leben kann. Wie ist es, eine Mama auf Helgoland zu sein? 

Quelle: Levke privat

Hallo Tanja, ja, wir leben auf Helgoland, Deutschlands einziger Hochseeinsel. Wir, das sind mein Partner Stefan, 54 (Papa von Beeke) und ich, 38 (Mama von Lene und Beeke), Lene, 12 und Beeke, 4. Wir leben seit 3,5 Jahren hier auf Helgoland, sind im Sommer, als Beeke 7 Monate alt war hierher gezogen. Mein Partner Stefan lebte zu diesem Zeitpunkt schon 1,5 Jahre wieder hier. Er ist gebürtiger Helgoländer und war über 20 Jahre auf dem Festland zum Arbeiten und Leben. Dort haben wir uns auch 2013 bei der Arbeit kennengelernt. Sein Entschluss wieder hierher zurück zu kehren stand da schon fest. Wir warteten ab, was aus uns würde und schneller als gedacht wurden wir dann mit Beeke im Januar 2015 eine Familie.

Quelle: Levke privat

1) Wir bereiten sich die Mütter auf Helgoland auf die Geburt des Kindes vor? Gibt es auch auf der Insel Kurse, Hebammen, regelmäßige Frauenarztkontrollen. Oder müsst Ihr dafür aufs Festland?

Es gibt alle 14 Tage eine Sprechstunde von 2 Frauenärzten vom Festland. Die Sprechstunde findet Samstag in der Klinik hier auf Helgoland statt. Dort gibt es hierfür eigene Räume und es kann alles an „normalen“ Untersuchungen“ durchgeführt werden. Für alles, was über eine reguläre Vorsorge hinausgeht, müssen die werdenden Mütter aufs Festland. Ebenso für Vorbereitungskurse. Einige Kliniken oder Hebammen bieten Vorbereitung im Wochenendkurs an. Das ist eine tolle Sache, wenn man nicht einmal pro Woche über 6-8 Wochen rüberfahren kann, denn die Schiffe fahren morgens zur Insel und erst am Nachmittag wieder zurück. Viele haben eine Hebamme auf dem Festland, die dann auch telefonisch mit Rat zur Verfügung steht.

Quelle: Levke privat

2) Wo finden die Geburten statt? Auf der Insel oder müssen die Mütter dafür auf das Festland? Was passiert, wenn die Wehen plötzlich losgehen? 

Werdende Mütter müssen spätestens in der 38. SSW die Insel verlassen. Schon vor über 10 Jahren hat hier die Entbindungsstation geschlossen. Manchmal wird den Müttern auch schon vorsorglich früher dazu geraten, aufs Festland zu fahren. Einige haben Familie, manche müssen eine Ferienwohnung nehmen. Ob es die Kooperation mit der Paracelsus-Klinik in Henstedt-Ulzburg noch gibt, weiß ich grad nicht aktuell. Dort konnten werdende Mütter mit Partner im Schwesternwohnheim neben der Klinik „brüten“. Heute gibt es von der Gemeinde einen finanziellen Zuschuss in Form von „Geburtenbeihilfe“, der unter bestimmten Voraussetzungen beantragt werden kann. Geht es doch mal schneller los, als gedacht steht ein Hubschrauber als Rettungsmittel zur Verfügung. Aber das will ja eigentlich auch keiner. Stefan war mitten auf der Nordsee als Beeke geboren wurde. Sie hatte es plötzlich so eilig, dass er zu spät kam. So kann es dann auch gehen… Eine Kinderärztin aus Bremerhaven kommt einmal im Monat zur Sprechstunde nach Helgoland. Wenn wir können, nehmen wir uns Zeit, weil wir trotz Termin manchmal warten müssen oder ein fieberndes Kind gern vorgelassen wird.

3) Gibt es auf Helgoland auch Müttergruppen, Stillgruppen, Babymassage o.ä., die sich mit ihren Babys treffen? 

Babymassage wie auf dem Festland gibt es nicht und auch keinen anderen „klassischen“ Kurs. Es gibt eine Krabbelgruppe, die sich einmal pro Woche im Gemeindehaus der ev. Kirche trifft, wenn genug Kinder da sind. Mit Beeke und ihren Freunden passte es ganz gut. Da waren wir immer so 4-6 Kinder. Danach kamen jetzt eine Zeit lang immer so verstreut neue Babies nach, dass die älteren Kinder schon wieder zu alt waren. Wir kennen uns ja untereinander und wenn man Kontakt möchte, findet man auch welchen. Meist treffen oder verabreden wir uns wirklich einfach zum Spielen auf dem Spielplatz oder wenn es wieder wärmer wird -  am Strand. Die Häuser und Wohnungen sind so klein, dass man da nicht mit mehr als 2 Kindern spielen kann. 

Quelle: Levke privat


4) Wie viele Kindergärten und Schulen gibt es auf Helgoland und wie viele Kinder gehen dorthin?  

Wir haben eine Schule, die eine Grund- und Gemeinschaftsschule ist, auf die momentan so ca. 75 Schüler gehen. In 10 Jahrgängen, in 5 Klassen. Es wird teilweise jahrgangsübergreifend unterreichtet und es finden tolle Aktionstage mit und ohne Elternbeteiligung statt. Beeke fragt heute noch bei jedem Gang Richtung Schule, ob wieder Basar ist. Das hat ihr offensichtlich im Dezember gut gefallen.

Der Kindergarten ist ein kleiner, gemütlicher Kindergarten. 35 Kinder verteilt auf 3 Gruppen, inkl. Krippengruppe, gehen dorthin. Mittagessen kommt wie in der Schule von der Jugendherberge. Es ist eine kirchliche Einrichtung. Wir feiern regelmäßig auch Familiengottesdienste und werden so durchs Jahr begleitet. Die Kirche ist für die meisten Kinder nach den ersten Auftritten dort ein ganz natürlicher Raum, wie ich immer sage. Sie bewegen sich dort, als wäre sie ein Teil der Kita oder ihres Zuhauses.  Ich mag es ja klein und gemütlich. Das ist sicher nicht vergleichbar mit dem, was viele aus Ihren Orten kennen. Wir haben uns weder Schule noch Kita wählen können, ABER: ich habe nicht viel Zeit im Auto verbracht oder im Internet auf der Suche nach der richtigen Einrichtung. Die Entscheidung wurde mir abgenommen und ich glaube nicht, das meinen Kindern am Ende was fehlen wird, nur weil ich nicht auf diversen Info-Elternabenden war, sondern einfach genommen habe, was es gibt. Auch dazu muss man bereit sein, in einer gewissen Form.

5) Gibt es für die Kinder unterschiedliche Vereine und Freizeitangebote? 

Total viel und abwechslungsreich! Im Rahmen der Ganztagsbetreuung gibt es viele Angebote in der Schule, von Patchwork bis Einrad. Fußball kann man im Verein spielen, Ballett für die Kleinen, Kinderturnen, Volkstanz, Feuerwehr. Und natürlich die Dinge, die sich die Kids suchen. Viele gehen mit Kameras über die Insel, fotografieren und drehen kleine Videos, andere sind eher handwerklich geschickt. Und im Sommer: Strand.

Quelle: Levke privat
 
6) Kennen sich die Familien alle untereinander?
Doch, die meisten schon. So wie wohl überall, hat man mit den einen mehr und mit den anderen weniger zu tun. Aber die Kinder haben ja meist nur wenig Auswahl bei den Spielkameraden, da kennt  man sich schon.

7) Gibt es auf Helgoland für die Menschen und Familien spezielle Traditionen? 

Meine große Tochter und ich sind Mitglieder im Volkstanz- und Trachtenverein. Das klingt erst einmal nicht so aufregend oder gar cool. Und die langen roten Röcke und bunten Blusen und Schürzen sind nicht jedermanns Sache. Es sind einfache Trachten vergleicht man z.B. mit einer Hooger Tracht. Aber darum geht es auch nicht. Wir tanzen auch alte Volkstänze. Ich mag das. Das ist leichte Fitness und dazu Gehirnjogging und manchmal gar nicht so leicht, wie es aussieht. 

Der wichtigste Feiertag für die Helgoländer ist wohl der 1. März. Am 1. März 1952 wurde die Insel offiziell von den Briten freigegeben und man konnte endlich endlich mit dem Wiederaufbau der Insel beginnen, die zu diesem Zeitpunkt noch in Schutt und Asche lag. Wir feiern also, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir heute hier leben können. Außerdem ist der 6. Dezember noch wichtig. Am Abend des 5. Dezembers gehen die Kinder „umlaufen“. Sie gehen verkleidet von Geschäft zu Geschäft und singen das Nikolauslied „Lasst uns froh und munter sein“ und bekommen kleine Geschenke oder Süßigkeiten. Früher war dann am 6. Dezember schulfrei, heute ist das ein Projekttag, an dem gemeinsam für den Basar gebastelt wird. Es gibt sicher noch mehr. Das Wünschen, das Wassertragen zur Taufe usw. 

Quelle: Levke privat

8) Was ist der Vorteil, wenn man als Familie auf einer kleinen Insel lebt? 

Ich mag es etwas ruhiger. Ich fühle mich hier nicht so unter Druck gesetzt, wie auf dem Festland. Ich bin in vielen Dingen viel bewusster geworden und frage mich viel öfter, ob ich das wirklich brauche. Die Luft und die Natur nehmen wir oft gar nicht so sehr wahr. Das passiert dann, wenn wir drüben sind. Das Lene so dollen Heuschnupfen hat, erinnere ich z.B. immer erst, wenn sie während der Autofahrt zu Oma und Opa plötzlich das Niesen anfängt. Das wir dringend mehr Verkehrserziehung mit Beeke machen müssen, wenn wir in der Stadt die Ampeln erst suchen müssen, bevor wir uns mit dem eigentlich überqueren der Straße befassen können. Wir versuchen viel draußen zu sein, was wegen des Wetters nicht immer geht und die kleinen Freiheiten, die wir und die Kinder hier haben auch zu genießen. Beeke geht mit 4 Jahren jetzt meist allein in den Kindergarten. Nicht weil sie muss, sondern weil sie möchte. Und Lene kann ich vom Jugendzentrum auch allein nach Hause kommen lassen. Das geht hier. Ja, es ist schon entschleunigt. Langsamer, wenn man das so sagen will. Es ist aber im Grunde, was ich brauche. Weniger. Von allem. Vor allem vom Vergleichen, Hetzen und Neiden.

Quelle: Levke privat

9) Und gibt es auch Nachteile oder etwas, das Du vermisst? 

Manchmal vermisse ich meinen Lieblingsdrogeriemarkt oder den Wochenmarkt oder den Schweden mit den Möbeln oder meinen Stoffhöker mit Klönschnack. Das Internet erleichtert vieles. Was tatsächlich manchmal schwierig ist, ist der Besuch bei Fachärzten auf dem Festland. Das erfordert ein Höchstmaß an Flexibilität bei Schule, Arbeitgeber, Partner (der auf das andere Kind oder Beide aufpassen muss) und Arztpraxen. Die Planung mit Anreise und Aufenthalt auf dem Festland ist manchmal schwierig und wird von den Praxen lapidar abgetan, wenn sich eine Mutter mit Kummer meldet. Da wünscht man sich wirklich manchmal, man könne „mal eben“ mit dem Auto hinfahren. Ich mach 10 Kreuze, wenn wir die feste Zahnspange von Lene wieder los sind. Glücklicherweise sind meine Kinder im Großen und Ganzen gesund. 

Vielen Dank liebe Levke für diesen spannenden Einblick in das Leben als Familie auf Deutschlands einziger Hochseeinsel.

***

Wenn Ihr auch eine Mama in einem anderen Land oder an einem besonderen Wohnort seid und Lust habt, bei meiner Reihe mitzumachen, meldet Euch unter info(at)zuckersuesseaepfel.de. Ich freue mich darauf.

Und hier könnt Ihr alle bisherigen Interviews in meiner Reihe "Mamasein in ..." noch mal nachlesen: 



  1. Oh wie schön - die liebe Levke :-) Hach, das hört sich so mega entspannt an dort auf Helgoland :-)

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    1. Wie schön, das Du sie kennst. Ja ich glaube auch, es ist sehr entschleunigend.

      Ganz liebe Grüße, Tanja

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